Es gibt Momente im Leben als Mama, die vergisst man nicht. Zum Beispiel, wenn dich dein Baby zum ersten Mal bewusst anlächelt. Gänsehaut, Tränen der Rührung, Glücksgefühle hoch tausend. Ein unbeschreiblicher Augenblick. Oder die volle Windel nach einer überstandenen Kolik. Erleichterung. Dankbarkeit. Demut. Und es gibt Momente im Leben als Mama, die vergisst man nicht. Leider.
Ich wollte immer die Art Mutter sein, die sich durch das Mama-Sein nicht einschränken lässt. Die ihr Kind einpackt und durch die Gegend rodelt, Wochenendtrips unternimmt, die Welt umrundet oder zumindest wie vor der Schwangerschaft Freundinnen bei ihnen daheim besucht. Obwohl das Baby und der Kinderwagen momentan so eine Sache sind. Nicht gerade die besten Freunde. Selbiges gilt im Übrigen für die arschteure Trage, die wir uns gegönnt haben. Jedenfalls … Das Zeitfenster, in dem es sich in die Wanne legen lässt, ist sehr, sehr, seeeeehr kurz und man hat keine Ahnung, wann es aufgeht. Wehe, man legt es wann anders in den Wagen – großes Drama. Für mich aber ein Ansporn, es immer und immer wieder zu versuchen. Kann ja bitte nicht so schwer sein … Herausforderungen sind da, um sich ihnen zu stellen. Und ein Baby auszuführen ist sowieso das Normalste der Welt. Ich kann ja nicht die nächsten 15 Jahre mit meiner Tochter zuhause sitzen bleiben. Seh ich nicht ein. Also raus mit uns!
Aus heiterem Himmel ein Schreikonzert …
Dieses Mal hab ich‘s auch geschafft, den richtigen Moment zu erwischen, die Tochter schlief drei Sekunden nach Ablegen ein und wachte erst ein paar Meter vor dem Haus meiner Freundin wieder auf – zufrieden und gut gelaunt. Das war sie auch weitere zehn Minuten. Wir aßen Torte, plauderten. Und dann ging’s los. Aus heiterem Himmel ein Schreikonzert der Sonderklasse.
„Lass mich mal“ bot mir meine Freundin, selbst Zweifachmutter, an. Zärtlich nahm sie das Baby an sich, redete ihm mit sanfter Stimme gut zu und spazierte mit ihm durch die Küche. Keine Chance. Das Kind war weiterhin ausgelöst wie nur was.
„Vielleicht mag sie Vivaldi?“, rief sie mir zu, um in dem Geschrei nicht unterzugehen.
„Ja, gute Idee. Klassik mag sie “, rief ich zurück und unterstrich das Gesagte mit einem Daumen nach oben. Immerhin brüllte ihr meine Tochter direkt ins Ohr.
Nix mit Best of Vivaldi.
Mein Freund, der Baby-Flüsterer
Eine Stunde später hatten wir alles durch: Fliegergriff, nacktes Baby, liegendes Baby, Gesang, Stille, gutes Zureden, White Noise, ein Wort rhythmisch 5.000 Mal wiederholen, tragen, streicheln, Google befragen, … Ich war nass geschwitzt und das Kind weinte noch immer bitterlich und herzzerreißend. Während meine Freundin meine Tochter schunkelte, textete ich meinem Freund: „Bitte komm schnell, die Kleine ist außer sich. So habe ich sie noch nie erlebt. Ich glaube, sie hat arge Schmerzen und wir müssen ins Krankenhaus.“ – „Bin sofort da.“
Mein Freund preschte zur Tür herein und fragte hektisch: „Wo ist sie?“. Ich überreiche ihm aufgelöst die noch immer schreiende Tochter. Er nimmt sie auf den Arm. Und dann: Stille. Nichts mehr. Kein Weinen, Brüllen, Jammern mehr. Kein Wimmern und kein Schluchzen. Stille. Und zwei Augen, die immer kleiner werden bis sie gar nicht mehr aufgehen. Ein Gesichtsausdruck voller Zufriedenheit. Gerade noch schrie das Kind wie am Spieß und jetzt war es doch tatsächlich eingeschlafen. In der Sekunde, in der mein Freund sie übernommen hatte. Was das mit mir gemacht hat, muss ich vermutlich nicht sagen. Ich war am Boden zerstört, fühlte mich wie die größte Versagerin im ganzen Universum und noch weiter.
Meine Freundin und ich lassen uns erschöpft ins Sofa fallen. Sogar meine Haare sind nass vom Stressschweiß. Der Freund übt sich in großzügiger Zurückhaltung, wenngleich ich in seiner Mimik ein leichtes Überlegenheitsgefühl ausmachen kann … Gut, aber der Fairness halber: Ich hätte es viel offensichtlicher zur Schau gestellt … Irgendwann wacht Poupette jedenfalls in seinen Armen auf und grinst meine Freundin und mich fröhlich an. „Schau“, sagt meine Freundin, „Aus der Ferne mag sie dich eh.“