Vorhin bin ich nach Hause gekommen. Ich war zum ersten Mal ohne Kind unterwegs (in einer Hose, die mir noch immer viel zu eng ist …). Wieder ein bisschen mein altes Ich spüren. Drei Stunden. Und die haben gereicht, um mich und mein Leben komplett in Frage zu stellen.
Gegen Ende der Schwangerschaft sehnte ich genau diesen Moment herbei: Eine Auszeit nur für und mit mir selbst. Und dann war der Moment da und mein Freund beschwor mich wieder und wieder, bei der Tür rauszugehen und mich nicht ständig zu fragen, ob die beiden es auch ohne mich schafften. Ja, würden sie, war er sich sicher. Und schon gar nicht sollte ich Whatsapp-Nachrichten schicken. Er hätte alles im Griff.
„Weißt du jetzt noch nicht, ob du tatsächlich alles im Griff hast. Noch bin ich da.“
„Was soll sein?“
Falsche Frage. Ich zählte 709 verschiedene mögliche Horror-Szenarien auf und bemerkte, dass mein Hirn voll mit Sorgen war, von denen ich wusste, dass sie unnötig waren, ich sie trotzdem nicht abschalten konnte. Herrlich.
„Bitte geh jetzt und lass mich machen. Hab Spaß!“
Hab Spaß!
Haha. Spaß haben. Mein Kind ist zuhause, während ich draußen bin, um Spaß zu haben. Wie soll ich da Spaß haben? Was, wenn es aufwacht und mitkriegt, dass ich nicht da bin und dann glaubt, seine eigene Mutter würde es nicht mehr lieben? Und wie sehr wird es mich vermissen? Und ich erst mein Kind? Was würde das mit unserer Bindung machen? Wäre sie noch dieselbe, wenn ich wieder nach Hause komme? Und was, wenn meine Tochter genau in der Zeit irgendwas Großes zum ersten Mal macht?
„Geh!“
Okay. Ich ging. Und kam noch circa 30 Mal zurück, um sicherzugehen, dass sie alles hatten, was sie brauchten.
„Nein, wir brauchen keine Taschenlampe für den Notfall. Und jetzt bitte geh und bleib weg.“
„Noch ein Bussi!“
„Eins!“
„Noch ein klitzekleines!“
„Geh!“
„Schick Fotos!“
„Geh!“
„Und Videos!“
„Au revoir!“
Im Auto ließ ich die letzten Wochen Revue passieren und wurde ganz plötzlich klar: Ich war der klassische Fall einer Übermutter! Und noch schlimmer: Es schien mich nicht im Geringsten zu stören. Vielleicht wenn ich es laut sagte: „Du bist eine Übermutter.“ Nein. Lauter? „DU BIST EINE ÜBERMUTTER.“ Nö. Nix. Störte mich nicht.
„So geht das nicht“, sage ich zu mir selbst, „Du bist Mutter, ja. Du hast dir immer gewünscht, Mama zu sein, ja. Du genießt jeden Augenblick mit deinem Kind, ja. Aber du bist noch mehr: Du bist Frau, Freundin, Journalistin, … Du bist stark, unabhängig, selbstbestimmt und darfst auch mal weg sein von dem allem. Und nein, du musst und darfst keine Übermutter sein! Hol dir ein bisschen was von deinem alten Ich zurück! Geh hinaus und lebe! Genieße. Ganz ohne schlechtes Gewissen.“
Genau das war ich bereit, jetzt zu tun. Wild entschlossen stand ich auf und ging – aufs Klo.
Es gibt im Leben für alles eine Zeit …
Und jetzt genieße ich das (Über-)Mutter-Sein. Ohne schlechtes Gewissen, weil ich alles andere auslasse. In Leggings mit extra hohem Bund will ich mein Kinderlieder-Repertoire auffrischen und erweitern, jedes Lachen meiner Tochter feiern, alles über das Phänomen Muttermilch lesen, an die Hälfte der Wörter ein i anhängen, vier Stimmlagen höher sprechen als sonst (obwohl ich mir geschworen habe, das niiiiiiie zu tun, aber angeblich fördert es die Sprachentwicklung, sofern man es nicht ausschließlich tut und bis zum 18. Lebensjahr durchzieht.).
Ich will mich mit anderen Mamas über Schnuller, Windeln, Feuchttücher und erste Errungenschaften austauschen und akzeptieren, dass mich im Moment nicht wirklich was anderes interessiert. Ich will Baby-Kotze von meinen Shirts waschen, es sogar süß finden und mich wundern, dass es mich nicht stört, dass mein After-Schwangerschaftsbody nicht im Ansatz an meinen Pre-Baby-Körper erinnert. Und vor allem will ich stundenlang neben ihr sitzen, wenn sie schläft, sie anschauen, mich über ihr perfektes Gesicht freuen und dankbar für genau diese Zeit sein.
Katalina
Ich kann dich so gut verstehen! Ich war der Inbegriff von „Unabhängig“ bevor meine ersten Tochter geboren wurde und war auch fest davon überzeugt es bleiben zu wollen. Tja, das hat sich in der Sekunde, in der ich sie das erstes Mal hielt für immer verabschiedet und ich genierte mich fast dafür so eine Übermutter zu sein. Dann wurde es langsam weniger obwohl ich noch immer 80% meiner Zeit auf „GfK“ und „How to navigate through Toddler Tantrums“ Bloggs verbringe. Jetzt kam meine zweite Tochter und zack- Übermutti is back 😂
Alles Liebe für die schöne erste Zeit! ❤️
Agota
So schön geschrieben! Die Mischung der Gefühle ist so echt!! Schuldgefühle wenn du weg bist – auf der anderen Seite – der Wunsch dich wieder zu finden. Keine leichte Akt! ❤️
Dani Pötzl
Liebe Katharina,
ich kann dich gut verstehen, ich bin mit 34 Mama geworden.
Bei der Besichtigung im Goldenen Kreuz damals, sah ich mich schon herrlich entspannt in der großen Wanne im warmen Wasser entbinden. Doch es kam anders. Während andere Mütter, im Jahr 2000, einen Kaiserschnitt auf Bestellung hatten (Originalzitat, das ich am Gang hörte: „Bist du auch ein Schnippi-Schnappi?“), musste ich einen haben – da Sophie nicht tief genug für eine normale Geburt lag. Und ich bin ein Phänomen, denn ich hatte keine einzige echte Wehe.
Bei der Geburt selbst gab es dann zudem Komplikationen für mich (Gebärmutter war mit der Plazenta verwachsen, was große Probleme mit sich bringt und mitunter Blutungen, die man nicht stillen kann; kam auch in einer „ER“-Folge vor als Thema) – aber das herausragende Ärzte-Team sorgte dafür, dass ich überlebte.
Danach hatte ich echte Probleme und konsultierte mehrere Ärzte, die mich für halb verrückt erklärten, als ich ihnen sagte, dass die Organe nicht an ihrem Platz lagen wie zuvor. Die wenigsten wissen ja, dass diese quasi rausgeklappt werden bei einem Kaiserschnitt, damit man dann zum Kind kommt.
Erst eine Ärztin, die auf krebskranke Patienten/innen im Endstadium spezialisiert war, konnte mir mit Nadeln und ihrer chinesischen Moxi-Lampe helfen. Ich stellte auf ihr Anraten meine Ernährung um, da mein Bauch sich bei der OP quasi „verkühlt“ hatte und aß Suppen, Suppen, Suppen, damit der Bauch sich aufwärmte und nix mehr Kaltes aus dem Kühlschrank.
Wenn ich dir, als die Ältere, einen Rat geben darf – bei aller wunderbaren Mutterliebe, solltest du allerdings im Auge behalten, dass du auch Frau und Partnerin für deinen Freund bist.
Mein Mann und ich haben uns recht früh eine verlässliche Babysitterin organisiert und sind anfangs nicht so lange ausgeblieben, später dann immer ein bisschen länger.
Sophies grandioser Babysitter war übrigens die viel zu früh verstorbene Dani Dawson, aus der Foto-Abteilung bei euch im WOMAN-Team.
Sophie ist heute 22 Jahre alt, studiert Jus und arbeitet gerade als Praktikantin im EU-Parlament in Brüssel.
Herzliche Gratulation zu deiner Tochter und alles Gute für euch als Familie!
Herzlichst, Dani
Thomas Brey
Du bist eine Glucke! Vertrau darauf das dein Freund sich um euer Kind alleine kümmern kann. Dein restliches Leben wird sich um euer Kind drehen und da muss man genau diesen Mittelweg zwischen übervorsichtig und dem loslassen lernen. Nicht ständig anwesend sein, weil Babys haben es sehr sehr schnell heraus das wenn sie nur ganz kurz stimmlich anstimmen, du sofort kommst. Sie genießen es regelrecht dich wenn ihnen fad ist auf Trab zu halten. Ich weiß, es klingt leicht wenn man sagt das man sich selbst kurze Pausen gönnen soll um wieder Kraft zu tanken. Man möchte am liebsten rund um die Uhr für sein Kind auf Dauerwarteschleife bereit stehen, aber irgendwann kommt der Punkt wo man ausgelaugt ist und alles etwas schwieriger wird zu erledigen. Wichtig sind geregelte Tagesabläufe zu haben, weil durch diese Routine auch dein Kind ruhiger wird. Und egal wie Sch…. man sich gerade fühlt. Niemals die Ruhe verlieren. Je ruhiger man ist, um so ruhiger ist dein Kind. Teilt euch die Tagesabläufe und ihr beide habt viel mehr Zeit für euch selbst die ihr braucht. Das was du da machst ist völlig normal.